Die ersten Wörter produzieren die meisten Kinder um den ersten Geburtstag herum. Im individuellen Fall kann die Produktion der ersten Wörter auch später erfolgen, ohne dass eine Störung vorliegt. Spätestens mit 1;6 Jahren sollte ein Kind allerdings die ersten Wörter produzieren. Ist dies nicht der Fall, sollte man den Eltern raten, dies einmal abklären zu lassen, weil zum Beispiel eine Hörstörung im Hintergrund stehen könnte.
Das häufigste erste Wort ist „Mama“. Das zweithäufigste erste Wort ist „Papa“. Zu häufigen ersten Wörtern zählen beispielsweise auch: „da“, „Auto“, „Ba(ll)“, „Puppe“, „Teddy“, „Nein!“
Schaut man sich diese ersten Wörter genauer an, kann man feststellen, dass die verwendeten Konsonanten (t, d, b, p, n) alle eine Gemeinsamkeit haben: Sie werden weit vorne im Mund – in der vorderen Artikulationszone – gebildet. Gründe hierfür sind:
Die weit vorne im Mund gebildeten Laute lassen sich vom Kind leichter „erspüren“ und leichter gezielt richtig produzieren, weil der vordere Mundbereich (Muskeln und Tastrezeptoren) viel besser und differenzierter mit Nervenenden versorgt ist, als der hintere Mundbereich.
Die weiter vorne im Mund gebildeten Laute können vom Kind nicht nur gehört, sondern auch gesehen werden. Dies zeigt die Wichtigkeit dafür, dass Kinder auch das Mundbild erkennen können. (Themen: räumliche Distanz zum Kind, Verwenden von Mund-Nasen-Schutz?)
Dass die ersten Wörter aus Lauten bestehen, die weiter vorne im Mund gebildet werden, ist im übrigens ein transkulturelles Phänomen. Es ist also auch in anderen Sprachen zu beobachten:
Dad/Daddy (Englisch), Mom/Mommy (Englisch), Maman (Französisch), Tata (Papa auf Polnisch), Baba (Papa auf Türkisch und Arabisch), Apa (Papa auf Ungarisch), Anne (Mama auf Türkisch).
Die ersten Wörter zeichnen sich manchmal auch dadurch aus, dass sie Silbenverdopplungen darstellen: „Mama“, „Papa“, „Pipi“, „Kaka“, „Wauwau“. Hier ist noch die deutliche Verbindung zur zweiten Lallphase (6. bis 10. Lebensmonat) zu erkennen: Viele der ersten Wörter erwachsen aus der zweiten Lallphase.
Im Rahmen der alltagsintegrierten Sprachbildung ist es in diesem Alter nicht notwendig, den Kindern unbedingt das Wort der Zielsprache (Erwachsenenwort) zu vermitteln. Wenn das Kind beispielsweise "WauWau" sagt, dann kann die erwachsene Bezugsperson durchaus auch das Wort "WauWau" verwenden, um dem Kind zu signalisieren: Ja, ich höre dich. Ich habe dich verstanden. Du kannst sprechen. So funktioniert sprachliche Kommunikation. - Dies führt zur Wahrnehmung von Selbstwirksamkeit durch sprachliches Handeln beim Kind, und darum geht es in dieser Phase. Ob das Kind von "WauWau" oder von "Hund" spricht, ist in diesem Alter irrelevant. (Vgl. auch: Baby- und Kleinkindwörter)
(c) Udo Elfert 2021