Alltagsintegrierte Sprachbildung
Online- und Präsenzseminare Udo Elfert

Marker und Orientierungspunkte des Spracherwerbs


In der alltagsintegrierten Sprachbildung und Sprachbeobachtung geben Marker und Orientierungspunkte Hinweise auf Auffälligkeiten und Störungen des Spracherwerbs. Wenn ein Kind bis zu dem angegebenen Alter den entsprechenden Sprachstand nicht erreicht hat, besteht ein erhöhtes Risiko für eine Auffälligkeit bzw. Störung.


  • 1;0 Jahre: Ausbleibende 2. Lallphase 

Die zweite Lallphase tritt beim physiologischen Spracherwerb zwischen dem 6. und 10. Lebensmonat in Erscheinung. Lässt sich die zweite Lallphase bis zum 1. Geburtstag nicht beobachten, ist dies ein Hinweis auf eine dahinter liegende Hörstörung.


  • 1;6 Einige erste Wörter 

Die meisten Kinder produzieren die ersten Wörter um den ersten Geburtstag herum. Produziert ein Kind im Alter von 1;6 noch keine Wörter, besteht ein erhöhtes Late-Talker-Risiko.


  • 2;0 50-Wörter-Grenze

Produziert ein Kind mit 2;0 Jahren weniger als 50 unterschiedliche Wörter, spricht man davon, dass das Kind ein "Late-Talker" (Spätsprecher) ist. Late-Talker ist zunächst einmal keine diagnostizierte Störung, sondern nur eine Auffälligkeit. Allerdings entwickelt ein großer Anteil von Late-Talker-Kindern bis zum 3. Geburtstag ein Störungsbild. 


  • 2;0 Zweiwortsätze

Spricht ein Kind zum 2. Geburtstag noch nicht in Zweiwortsätzen, spricht dies auch dafür, dass das Kind ein Late-Talker ist.


  • 2;6 200 Wörter im aktiven Wortschatz 

Wenn ein Kind mit 2;6 Jahren weniger als 200 Wörter im aktiven Wortschatz hat, spricht man ebenfalls von einem Late-Talker-Kind.


  • 2;6 100 Wörter im aktiven Wortschatz bei Late-Talker- Kindern 

Befinden sich im Wortschatz eines Late-Talker-Kindes mit 2;6 Jahren weniger als 100 Wörter im aktiven Wortschatz, ist nicht zu erwarten, dass das Kind den Sprachrückstand bis zum 3. Geburtstag aufholt. Zu erwarten ist eher, dass zum 3. Geburtstag eine Störung diagnostiziert wird. 


  • 3;5 Verbzweitstellung

Setzt ein Kind mit 3;5 Jahren das Verb im Aussagesatz noch immer nicht an die zweite Stelle, so ist eine Störung im Grammatikerwerb (Dysgrammatismus) möglich/wahrscheinlich.


  • 3;5 Subjekt-Verb-Kongruenz 

Die Subjekt-Verb-Kongruenz drückt aus, dass im Deutschen das Verb immer dem Subjekt folgt. Um den Erwerb der Subjekt-Verb-Kongruenz bei einem Kind abschätzen zu können, wird danach geschaut, ob das Verb nach der 2. Person Singular (nach "du") die Endung -st aufweist. (Du spielst, gehst, hörst, spieltest, gingst, hörtest...) - Ist in einem Alter von 3;5 Jahren die Subjekt-Verb-Kongruenz noch nicht erworben, kann dies ein Hinweis auf einen dahinterstehenden Dysgrammatismus sein.


Verwendet ein Kind mit 3;5 Jahren noch nicht die Ich-Form, kann dies ein Hinweis auf eine beeinträchtigte Ich- und Identitätsentwicklung sein oder ein Hinweis auf eine gestörte Sprachentwicklung.


  •  5;0 Grammatikentwicklung im Wesentlichen abgeschlossen

Mit 5;0 Jahren gilt die Grammatikentwicklung als im Wesentlichen abgeschlossen. Treten in diesem Alter häufig grammatikalische Auffälligkeiten auf wie fehlerhafte Pluralbildung, fehlerhaft gebeugte starke Verben, unvollständige Sätze, fehlerhafte Wortformen, Wortstellungsfehler und ähnliches auf, spricht dies für einen dahinterstehenden Dysgrammatismus. Die Sprachentwicklung des Kindes sollte logopädisch/ärztlich abgeklärt werden.


  • 5;0 Sämtliche Laute 

Mit 5;0 sollte ein Kind sämtliche Laute richtig verwenden und aussprechen - mit Ausnahme der S-Laute, die gelispelt werden "dürfen" und mit Ausnahme des Zungenspitzen-R-Lautes, der in einigen Regionen verwendet wird. Wenn ein Kind mit 5;0 Jahren Auffälligkeiten im Bereich der Aussprache zeigt, sollte zeitnah an eine ärztliche Abklärung und logopädische Therapie gedacht werden. 

Für den Schriftspracherwerb in der Schule ist es für ein Kind ganz entscheidend, dass keinerlei Ausspracheauffälligkeiten mehr vorliegen, weil diese zu Schwierigkeiten beim Schriftspracherwerb (bis hin zur Lese-Rechtschreib-Schwäche) führen können.



(c) Udo Elfert 2021


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