Funktionelle Unflüssigkeiten beim Spracherwerb
Funktionelle Unflüssigkeiten sind:
- Unflüssigkeiten, die natürlicherweise in der Sprachentwicklung von Kindern auftreten,
- Auffälligkeiten und stellen keine Störung dar,
- haben eine Funktion: sich mehr Zeit für die weitere Sprechplanung zu verschaffen,
- treten auch bei Erwachsenen auf,
- sind nicht mit dem Stottern (Balbuties) zu verwechseln, das eine Störung darstellt.
Beim Stottern gibt es das Klischee, dass die Kinder schneller denken, als sie sprechen können. Dies ist beim Stottern nicht der Fall, aber auf die funktionellen Unflüssigkeiten trifft es zu: Das Kind möchte etwas sagen, hat den Inhalt schon im Kopf, braucht aber Zeit für die weitere Sprechplanung: Welche Wörter verwende ich am besten (Semantik/Lexikon)? Welches Wort kommt als nächstes (Lexikon, Syntax)? Wie führe ich den Satz zu Ende (Syntax)? In welcher Reihenfolge sollen die Wörter stehen (Syntax)? - Für all diese Fragen benötigt das Kind Zeit, Zeit für die weitere Sprechplanung.
Das Kind verschafft sich diese Zeit, und es lassen sich verschiedene Anzeichen erkennen.
Anzeichen funktioneller Unflüssigkeiten und Unterschiede zum Stottern
- Wiederholung von Wörtern oder Satzteilen. Zum Beispiel: "Der Kindergarten macht, macht, macht... bald Ferien." - Unterschied zum Stottern: Beim Stottern werden Laute und Silben wiederholt, nicht Wörter oder Satzteile.
- Gefüllte Pausen. Eingefügt werden Murmellaute und Murmelsilben (äh, mmmh, ähm...) oder kurze Interjektionen/Empfindungswörter (na, ach, wa, gell, nun). - Unterschied zum Stottern: Beim Stottern sind die Pausen in der Regel nicht gefüllt und häufig mit einer gewissen körperlichen Anspannung verbunden (sog. Blocks).
- Satzabbrüche und Korrekturen. Zum Beispiel: "Ich ziehe mir die Stiefel an, weil... Es regnet draußen. Deshalb ziehe ich die Stiefel an."
Umgang in der alltagsintegrierten Sprachbildung mit Kindern, die funktionelle Unflüssigkeiten zeigen:
- Auch Erwachsene zeigen funktionelle Unflüssigkeiten. Nur die wenigsten reden wie gedruckt. Kinder benötigen für die Sprechplanung mehr Zeit als Erwachsene, und daher sind funktionelle Unflüssigkeiten bei Kindern häufiger und in stärkerer Ausprägung zu finden.
- Bleiben Sie entspannt. Halten Sie weiterhin die Grundregeln einer respektvollen Kommunikation ein: Blickkontakt halten, Interesse zeigen, nicht den Satz für das Kind zu Ende führen, ausreden lassen, Turn-Taking beachten und anwenden usw.
- Funktionelle Unflüssigkeiten stellen in der Regel eine Auffälligkeit ohne Störungswert dar. Wenn das Kind durch die funktionellen Unflüssigkeiten nicht eingeschränkt ist, sprachlich sich und seine Bedürfnisse ausdrücken kann und kein Störungsbewusstsein zeigt, brauchen Sie nicht zu intervenieren. Wenn das Kind allerdings stark durch die Unflüssigkeiten eingeschränkt ist, kann dies auch ein Hinweis auf eine dahinter stehende Störung (Semantisch-lexikalische Störung mit zum Beispiel Wortfindungsschwierigkeiten, Poltern) sein und Sie sollten den Eltern empfehlen, dies ärztlich-logopädisch abklären zu lassen.
(c) Udo Elfert 2021