Es gibt zwei verschiedene Spracherwerbsstile:
Nominaler Spracherwerbsstil
Der nominale Spracherwerbsstil wird auch als referentieller Spracherwerbsstil bezeichnet. Der nominale Spracherwerbsstil entspricht dem Spracherwerb, wie er allgemein bekannt ist und wie der physiologische Spracherwerb im Allgemeinen beschrieben wird:
Etwa 95% aller Kinder zeigen den nominalen Spracherwerbsstil
Beim nominalen Spracherwerbsstil gibt es die Untergruppe der „Sammler“. Damit werden Kinder bezeichnet, deren Spracherwerb auf rezeptiver Ebene, also auf der Ebene des Wort- und Sprachverständnisses altersgemäß ist, die aber (noch) nicht oder sehr wenig sprechen. Die Kinder verstehen sprachlich also alles, was andere Kinder in dem Alter auch verstehen, zeigen aber kaum Sprachproduktivität.
Weil bei der Frage, ob ein Kind ein Late-Talker ist, meistens ausschließlich die sprachproduktiven Kompetenzen (genauer: der aktive Wortschatz) untersucht wird, werden Kinder, die zur Untergruppe der Sammler zählen, meist als Late-Talker identifiziert.
Wenn Kinder im Rahmen des nominalen Spracherwerbsstils zunächst „sammeln“, stellt dies keinen Hinweis auf eine Störung dar.
Zuweilen wird das Sammler-Phänomen auch als eigenständiger Spracherwerbsstil bezeichnet: "abwartender Spracherwerbsstil".
Expressiver Spracherwerbsstil
Der expressive Spracherwerbsstil tritt bei etwa 5% aller Kinder auf.
Da er recht ungewöhnlich und selten ist, wird er manchmal als Störung interpretiert, was er aber eindeutig nicht ist. Es handelt sich hierbei einfach um einen anderen Spracherwerbsstil, der aber genau so zum Spracherwerb führt wie der nominale Spracherwerbsstil.
Der expressive Spracherwerbsstil ist gekennzeichnet durch:
Im Laufe der Zeit kommen dann mehr und mehr verständliche Wörter hinzu.
Bis zum 3. Geburtstag sollten Kinder mit einem expressiven Spracherwerbsstil im Wesentlichen so verständlich sein, wie Kinder mit einem nominalen Spracherwerbsstil. Ist ein Kind mit expressivem Spracherwerbsstil zum 3. Geburtstag noch nicht zu verstehen und lässt sich der grundsätzliche Inhalt des vom Kind Gesagten für Außenstehende nicht erschließen, dann sollte der Sprachstand des Kindes einmal medizinisch/logopädisch überprüft werden.
Interessant ist, dass bei beiden Spracherwerbsstilen ganz ähnliche Kompetenzen eingesetzt werden.
Nominaler Spracherwerbsstil:
Expressiver Spracherwerbssstil:
Auch wenn sich der nominale Spracherwerbsstil und der expressive Spracherwerbsstil ganz unterschiedlich anhören, unterscheiden sie sich im Wesentlichen nur durch die Art der imitierten Elemente: Beim nominalen Spracherwerbsstil sind es einzelne Wörter und beim expressiven Spracherwerbsstil sind es größere Einheiten, nämlich der Rhythmus und die Melodie.
Das folgende Video zeigt ein („englischsprachiges“) Kind mit einem expressiven Spracherwerbsstil. Der Output ist sehr beeindruckend, nicht in jedem Fall zeigt sich der expressive Spracherwerbsstil so deutlich.
Beachten Sie bitte, dass bei 0:33 ein verständliches Wort zu hören ist: „banana“
Hinweise für die Alltagsintegrierte Sprachbildung und den Umgang mit Kindern, die einen expressiven Spracherwerbsstil zeigen:
(c) Udo Elfert 2021