Alltagsintegrierte Sprachbildung
Online- und Präsenzseminare Udo Elfert

Die erste Lallphase in der Sprachentwicklung


Nachdem ein Neugeborenes zunächst mittels Schreien, Vitallauten und anderen Kontakt- und Kommunikationslauten mit seiner Umwelt in Kontakt tritt, kommen das Kind etwas ab dem 3. Lebensmonat in die sog. „Erste Lallphase“.


Die erste Lallphase lässt sich bei Kindern in der Regel zwischen dem 3. und dem 6. Lebensmonat beobachten.

Sprachbildung Spracherwerb Lallphase

In dieser Phase produzieren die Kinder im wahrsten Wortsinn „alle möglichen“ Sprachlaute. Das heißt, dass nicht nur diejenigen Sprachlaute produziert werden, die das Kind im sprachlichen Umfeld wahrnehmen kann, sondern alle Sprachlaute, die möglich sind. Die Kinder produzieren daher auch viele nicht-muttersprachliche Laute.


Die unterschiedlichen Sprachen haben unterschiedliche Anzahlen von Sprachlauten: Im Deutschen gibt es 43 Sprachlaute, im Englischen 46, im Türkischen 36, im Russischen 39 und im Hindi 67. Die Sprache mit den meisten Sprachlauten ist Khoisan, eine sog. „Bantu-Sprache“, die zum Beispiel in der Kalahari-Wüste gesprochen wird und über 150 Sprachlaute enthält. Die einzelnen Sprachen haben unterschiedliche Sprachlaute: So gibt es im Englischen die th-Laute, im Arabischen Kehllaute, im Hindi sog. „retroflexive Konsonanten“, bei denen die Zunge etwas nach hinten gebogen wird und im Khoisan viele Klick- und Schnalzlaute. – All diese Laute werden von Kindern in der ersten Lallphase gebildet und zwar unabhängig davon, welche Laute im sprachlichen Umfeld des Kindes zu finden sind.

Den Kindern geht es in der ersten Lallphase noch nicht um Sprachlaute im engeren Sinn. Das kann man zum Beispiel daran erkennen, dass auch vollständig ertaubte/gehörlose Kinder eine vollständig ausgeprägte erste Lallphase haben und alle möglichen Laute produzieren.

[Exkurs: Anders verhält es sich bei der zweiten Lallphase, die etwa zwischen dem 6. und dem 10. Lebensmonat stattfindet. Ist die zweite Lallphase nicht oder nur stark reduziert vorhanden, ist dies ein starker Hinweis (ein Marker in der frühen Sprachentwicklung) auf eine dahinter stehende Beeinträchtigung des Hörsinns. Für die zweite Lallphase ist das Hören eine notwendige Voraussetzung, für die erste Lallphase nicht.]

 

Wenn es nicht um Laute geht, welche Funktion hat die erste Lallphase denn dann?

In der ersten Lallphase geht es den Kindern um die taktil-kinästhetische Wahrnehmung im Mund- und Gesichtsbereich. Das heißt, dass die Kinder ausprobieren, wie es sich anfühlt, beispielsweise die Zunge nach oben oder nach unten, nach rechts oder nach links, nach vorne oder nach hinten zu bewegen. Die Kinder sammeln Erfahrungen, wie es sich anfühlt, den Mund bzw. die Lippen zu öffnen oder zu schließen, dabei gleichzeitig ein- oder auszuatmen oder Stimme einzusetzen.

 














Sprachbildungsstrategien und sprachförderliches Verhalten in der ersten Lallphase

Grundsätzlich sollten während der ersten Lallphase die ganz basalen und grundlegenden Sprachbildungsstrategien zum Einsatz kommen. Dazu gehören:

  • Blickkontakt
  • Respond (Also die Tatsache, dass auf ein kindliches Verhalten – zum Beispiel das Lallen – überhaupt reagiert wird.)
  • Turn-Taking (Das Sich-Abwechseln in der Kommunikation, „Ich-bin-dran-du-bist-dran“)
  • Freundliches Gesicht, freundliche Mimik
  • Warme, weiche Stimme
  • Abwarten (Dem Kind Zeit geben, sich zu „äußern“)

 

Während der ersten Lallphase ist für die alltagsintegrierte Sprachbildung darüber hinaus hilfreich:

  • Sprechen in der sog. „Ammensprache“ (also mit einer etwas erhöhten Sprechstimmlage, in einem deutlichen Sprechrhythmus und mit einer deutlichen Betonung und Prosodie)
  • Sich auf Augenhöhe begeben und räumlich nah genug am Kind sein
  • Angemessener Körperkontakt

 

Nach der ersten Lallphase (3. bis 6. Lebensmonat) tritt die zweite Lallphase (6. bis 10. Lebensmonat) in Erscheinung. Manchmal geschieht dies im fließenden Übergang, manchmal lässt sich zwischen den Lallphasen eine kurze Phase beobachten, in denen die Kinder weniger Output haben, also weniger lallen und babbeln. 


(c) Udo Elfert 2021


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