Alltagsintegrierte Sprachbildung
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Selektiver Mutismus


Das englische Wort "mute" bedeutet soviel wie "stumm", "still" oder "sprachlos". Von Mutismus wird gesprochen, wenn ein Kind von seiner sprachlichen und kognitiven Entwicklung her sprechen könnte, dies aber nicht tut. Man unterscheidet zwischen vollständigem und selektivem Mutismus. Vollständiger Mutismus liegt vor, wenn das Kind mit niemandem spricht, auch nicht mit den Eltern oder anderen nahestehenden Bezugspersonen. Dem vollständigen Mutismus liegen in der Regel schwere und schwerste traumatische Erfahrungen zugrunde. Der vollständige Mutismus sollte durch professionelle psychologische Fachkräfte therapiert werden.

Von selektivem Mutismus wird gesprochen, wenn das Kind in bestimmten Situationen oder mit bestimmten Personen nicht spricht, z.B. grundsätzlich in der Kita nicht oder nur mit den pädagogischen Fachkräften nicht. Obwohl der selektive Mutismus keine sprachliche Störung im engeren Sinn ist, steht er im Verordnungskatalog für logopädische Therapie und kann logopädisch therapiert werden. 

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Kinder, die Deutsch als Zweitsprache erwerben, zeigen mitunter ein Verhalten, welches dem selektiven Mutismus sehr ähnlich ist: Sie kommen jeden Tag in die Einrichtung und erwerben die deutsche Sprache zunächst quasi passiv und rezeptiv. Selbst nach einigen Wochen und Monaten sprechen sie in der Gruppe kein Wort, obwohl sie dies schon könnten. Viele dieser Kinder kommen eines Tages in die Einrichtung und sprechen „plötzlich“ in flüssigen, vollständigen Sätzen. Diese Kinder zeigen beim Zweitspracherwerb eine sog. "Schweigephase". Diese stellt keine Störung dar, sondern ist eine besondere Strategie des Zweitspracherwerbs, die einige Kinder zeigen.

Wie sollte mit selektiv mutistischen Kindern umgegegangen werden?

Da selektiv mutistische Kinder sich ohnehin häufig unter einen Erwartungs- oder Leistungsdruck gesetzt fühlen, sollte im Rahmen der alltagsintegrierten Sprachbildung in erster Linie alles, was diesen empfundenen Druck verstärken könnte, vermieden werden.

Dazu gehören zum Beispiel:

  • Kein Druck!
  • Das Kind „kommen lassen“.
  • Entspannt bleiben.
  • Ggf. Versuch mit Handpuppen.
  • Ggf. Rollenspiele mit Stellvertretern (Puppen, Tieren usw.).
  • Spielerischer Umgang mit Sprache.
  • Das Kind nicht zum Sprechen auffordern.
  • Eher geschlossene Fragen stellen.
  • Weiterhin Dialogangebote machen, aber ohne Erwartungshaltung.
  • Wertschätzung, auch wenn das Kind nicht spricht.
  • Zwischen den Zeilen lesen, was einem das Kind (nonverbal) mitteilen möchten und dies verständnisvoll verbalisieren (in Worte fassen).
  • Vor allem: Beziehungsarbeit mit einer wertschätzenden Grundhaltung.
  • Ggf. Elterngespräch (Themen: Druck, Erwartungshaltung).
  • Ggf. Hinweis auf die Möglichkeit logopädischer Therapie.


Sobald ein Kind unter seinem selektiven Mutismus leidet, ein negatives Störungsbewusstsein entwickelt, nicht gut eingebunden ist, sich nicht gut nonverbal verständlich machen kann oder seine Bedürfnisse nicht gut nonverbal äußern kann, sollte den Eltern geraten werden, das Kind in einer ärztlichen oder logopädischen Praxis vorzustellen.


(c) Udo Elfert 2021


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