Alltagsintegrierte Sprachbildung
Online- und Präsenzseminare Udo Elfert

Warum sind Sprachbildungsstrategien wirksam?


Warum sind Sprachbildungsstrategien wie Respond, Benennen, handlungsbegleitendes Sprechen, verbesserte Wiederholung, Turn-Taking, Blickkontakt aufnehmen und halten, Berücksichtigen des triangulären Blickkontakts, eine freundliche Mimik zeigen und Auf-Augenhöhe-sprechen eigentlich so wirksam? Warum sind andere Strategien wie Nachsprechen-Lassen oder die direkte Korrektur nicht hilfreich?

Es gibt zwei wesentliche Faktoren und Voraussetzungen, welche die Wirksamkeit einer Sprachbildungsstrategie bestimmen. 


1. Das Kind muss sich wohl fühlen

Das Kind sollte also in der Situation selbst Vertrauen in die Situation und in den Gesprächspartner haben. Anders gesagt: Das Kind sollte keinen negativen Stress verspüren und durch die Bezugsperson nicht irritiert sein. 

Was passiert, wenn ein Kind irritiert ist? 

Das Kind begibt sich automatisch auf die Suche nach der Ursache für die Irritation. Dies ist unserer entwicklungsgeschichtlichen Vergangenheit geschuldet: Wenn - zum Beispiel in der Steinzeit - eine erwachsene Person ein erschrockenes Gesicht gemacht hat, war es für das Kind überlebenswichtig danach zu schauen, was die Ursache dafür ist: "Ist hier irgendwo ein Säbelzahntiger hinter dem Baum? Kriecht hier eine Giftschlange in der Nähe?" Sich diese Frage zu stellen, hat den Kindern in unserer entwicklungsgeschichtlichen Vorzeit das Überleben gesichert. 

Kinder heutzutage "funktionieren" noch genauso: Nimmt das Kind eine Irritation wahr, fühlt sich das Kind unwohl, dann begibt es sich auf die Suche nach der Ursache: "Was ist hier los? Warum guckt mein Gesprächspartner so seltsam? Bin ich wirklich in Sicherheit? Bin ich in Gefahr?" - Nun sind die Kapazitäten des menschlichen Gehirns leider begrenzt. Ist das Kind auf der Suche nach der Ursache für die Irritation, ist das Gehirn mit allem möglichen beschäftigt, hat aber keine Kapazitäten für sprachliche Elemente (z.B. für neue Wörter oder grammatikalische Regeln). 

Viele der Sprachbildungsstrategien setzen genau hier an: Durch ein freundliches Gesicht/freundliche Mimik, durch eine angenehme Stimme, durch Blickkontakt, durch Respond - das Kind erwartet nämlich eine Reaktion auf sein Verhalten und ist irritiert, wenn diese nicht erfolgt - oder durch Auf-Augenhöhe-Sprechen wird dem Kind signalisiert: Alles ist gut. Du kannst Vertrauen in mich und die Situation haben. Du kannst dich ganz der Kommunikation und der Freude am Dialog widmen.

Zwei weitere Grundhaltungen bzw. Vorannahmen spielen hier ebenfalls eine große Rolle:


Sprechfreude und Authentizität aufseiten der Bezugsperson


Sprechfreude

Wann lernt ein Kind besonders gut sprechen? - Wenn es mit Freude spricht! Wenn ein Kind mit Freude spricht, spricht es mehr und kann sich ganz der Kommunikation und quasi "nebenbei" den sprachlichen Elementen (Wörter, Grammatik, Aussprache) widmen. Es weiß und hat das Gefühl: Hier bin ich sicher. Hier steht die Kommunikation im Vordergrund. - Die Sprechfreude im Rahmen der alltagsintegrierten Sprachbildung daher immer an erster Stelle stehen.   


Authentizität

Die Authentizität (Natürlichkeit) der Bezugsperson ist vielleicht die wichtigste Grundlage dafür, dass Sprachbildungsstrategien überhaupt wirksam sind. Ist der Sprachausdruck des/der Gesprächspartner_in nicht authentisch, sondern inkongruent (Inhalt und Form des Gesagten passen nicht zusammen), übertrieben oder stark reduziert, wäre das Kind irritiert und es würde sich wie oben beschrieben auf die Suche nach der Ursache für die Irritation machen. Die Kapazitäten würden nicht für sprachliche Elemente zur Verfügung stehen. 

Authentizität der Bezugsperson ist wichtiger als die formale Richtigkeit des Sprachausdrucks!


2. Den Aufmerksamkeitsfokus des Kindes berücksichtigen

Wenn über das gesprochen wird, worauf der Aufmerksamkeitsfokus des Kindes in der Situation ohnehin liegt, kann das Kind neue sprachliche Strukturen (Wörter, Grammatik, Aussprache) viel besser aufnehmen und verinnerlichen.

Das ist der große Vorteil der alltagsintegrierten Sprachbildung: Sprache findet hier in natürlichen Situationen statt und es wird das verbalisiert (versprachlicht), was gerade im Moment für das Kind im Vordergrund steht. Die additive (zusätzliche) Sprachförderung hat sich hier als weniger wirksam erwiesen, weil die betreffenden Kinder oft aus einer gegebenen Situation herausgeholt wurden und die Aufmerksamkeit der Kinder auf Dinge gelenkt wurden, mit denen sie eigentlich gerade gar nicht beschäftigt waren.

Es sei hier angemerkt, dass die additive Sprachförderung natürlich in bestimmten Fällen  ihre Berechtigung hat. Sie kann in Kitas und Kindergärten durchaus zum Einsatz kommen, nur sollte die alltagsintegrierte Sprachbildung im Vordergrund stehen.

Sprachbildungsstrategien, die den momentanen Aufmerksamkeitsfokus des Kindes berücksichtigen, sind zum Beispiel: handlungsbegleitendes Sprechen, Benennen, Respond, Eingehen auf den triangulären Blickkontakt eines Kindes, die verbesserte Wiederholung und Turn-Taking.  



(c) Udo Elfert 2021


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